Page 123 - Weihnachts-Kurier 2022
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Musikverein Harmonie Birmensdorf und die Begrüssungsworte des Gemein- depräsidenten, Chris Linder, wurde der Festredner, Tony Ettlin, mit einem Ap- plaus begrüsst.
Ganz bescheiden wie er ist, dankte Tony Ettlin zunächst für die Möglich- keit als Festredner aufzutreten. Es sei für ihn eine Ehre, sagte er. Anschliessend eröffnete er seine Festrede.
Es lebe die Vielfalt der Schweiz
«Liebe Einheimische, Zweitwohnungs- besitzer, Doppelbürger, Mehrfachange- stellte und Einzelgänger, Vielbeschäf- tigte, Freischaffende, Erwerbslose, Selbstdarsteller, Vollamtmütter und Teilzeitväter. Liebe Sans-Papiers, Zuge- wanderte, Ausgesteuerte, Durchrei- sende, Entwurzelte und Festgefahrene. Abgehobene, Gutbetuchte, Pauschalbe- steuerte, Minderbemittelte und Unter- würfige. Vorgesetzte und Rückständige, Abgehalfterte und Abgezockte.» Nein, das waren nicht seine Begrüssungsworte, sondern ein Auszug aus einem seiner Auftritte, an welchem er spielen sollte, eine Erstaugustrede zu halten. Damals war übrigens nicht bekannt, dass Tony Ettlin tatsächlich die 1. August-Rede in Uitikon halten würde. Mit der Anspra- che wollte er damals auf die Vielfalt der Schweiz hinweisen. Es gibt nicht DIE Schweiz, sondern viele Schweizen, hiess es. «Es gibt viele Schweizen und alle schreiben ihre eigenen Geschichten. Sie
Referent Tony Ettlin
tragen damit zur grossen Vielfalt der Schweiz bei, auf die wir so stolz sind. Die Herausforderung ist, mit der Vielfalt in einem Land angemessen umzugehen.» erklärte Ettlin. Mit der oft genannten Toleranz oder wie Hans Saner vor- schlägt, mit der «Differenzverträglich- keit» sollen die unterschiedlichsten Meinungen, Interessen, kulturellen und sozialen Gruppierungen zu einem Gan- zen zusammengehalten werden können. Ein Land zusammenhalten würden auch Geschichten und Mythen, ob sie wahr oder erfunden sind, spielt keine Rolle. Ob es Wilhelm Tell tatsächlich gab oder die Schlacht am Morgarten der grosse Freiheitskampf gegen die Österreicher – die ja eigentlich Habsburger, also Aar- gauer, waren – oder vermutlich eher ein Streit mit dem Kloster Einsiedeln war, ist unklar. Selbst über das Gründungsjahr und das «Geburtsdatum» der Schweiz herrscht grundsätzlich Unklarheit, denn
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