Page 36 - weihnachtskurier_2021
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                Der ETH-Reaktor wurde nie gebaut. Auf bundesrät- liches Betreiben und als gut eidgenössischer Kom- promiss führte man die drei Reaktorprojekte so zu- sammen, dass daraus – basierend auf der Diorit- Eigenentwicklung – ein Gemeinschaftswerk resul- tierte: das Versuchsatomkraftwerk Lucens. Die Reak- torkaverne zu bauen, erwies sich indes als viel schwieri- ger als erwartet: «Eine Kaverne dicht zu kriegen, ist keine einfache Sache», konstatierte ein mit den Bau- arbeiten in Lucens bestens vertrauter Reaktoringenieur von Sulzer.49 Man hatte über Jahre mit Rissbildungen im Fels und Wassereinbrüchen zu kämpfen: Der Fels blieb durchlässig, das unhinterfragte Schutzverspre- chen der Kavernenbauweise brüchig.50
Nachtrag: Die hier geschilderten Vorkommnisse und Entwicklungen ereigneten sich in einer Männerwelt. Obwohl Naturwissenschaftlerinnen grundlegende Bei- träge zur Erforschung der Kernphysik im 20. Jahrhun- dert geleistet haben – zu nennen wären etwa die Nobel- preisträgerinnen von 1903, 1935 und 1963, Marie Curie, Irène Joliot-Curie und Maria Goeppert-Mayer sowie Lise Meitner, welche ein Erklärungsmodell für die 1938 erstmals experimentell anerkannte Kernspaltung lie- ferte –, finden sich in den hier konsultierten Quellen keine Namen von Frauen. Gleichwohl sind sie indirekt anwesend: als Sekretärinnen, welche die überlieferten Sitzungsprotokolle, Aktennotizen und Rechenschafts- berichte nach Diktat oder Stichworten anfertigten, als namenlose gute Geister, die sich in Betrieb, Kantine, Mensa oder Labor um einen funktionierenden Alltag und das leibliche Wohl der jungen Wissenschaftler und Ingenieure kümmerten, als Mütter und Ehefrauen, die zuweilen im Nachruf über einen der hier erwähnten Pioniere51 aus der Frühzeit der Atomtechnologie in der Schweiz Erwähnung fanden. Eine Ausnahme, über- dies mit Bezug zu Uitikon, gilt es hier festzuhalten:
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