Page 30 - weihnachtskurier_2021
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                «Wer über Wasserkräfte verfügt, ist in der glückli­ chen Lage, die Atomenergie in erster Linie jenen Verwendungszwecken zuzuführen, die ihr ther­ modynamisch die beste Ausnützung gewährleis­ ten, nämlich den grossen Wärmeverbrauchsbetrie­ ben. Insofern wir künftig in der Schweiz Atomenergie importieren, sollte diese vorerst in den Fernheizbetrieben verwendet werden, um den Brennstoff der Raumheizung zu ersetzen ...»38
Wenig überraschend folglich, dass Professor Bauer, zu- gleich Direktor des ETH-eigenen Fernheizkraftwer- kes, in den 1950er Jahren, als man für die Versorgung der Hochschule mit Wärme und Heisswasser nach ei- ner leistungsfähigeren Lösung suchte, auf die Idee einer atomar betriebenen Heizanlage zurückkam. In Zusam- menarbeit mit interessierten Firmen – darunter Sulzer, Escher Wyss, Contraves und die Maschinenfabrik Oerlikon – entstand 1956 das Vorprojekt eines unterir- dischen Atomreaktors.39 40 Meter unterhalb der Clau- siusstrasse, in den Süsswassermolassefelsen des Zürich- bergs, sollten dafür, wie eingangs erwähnt, zwei Kavernen herausgebrochen werden. Im Oktober 1956 kam der von Professor Bauer eingereichte Antrag erst- mals im Schweizerischen Schulrat, dem strategischen Leitungsorgan der beiden eidgenössischen technischen Hochschulen (heute: ETH-Rat), zur Sprache. Die Idee wurde grundsätzlich begrüsst, man erhoffte sich, mit einer «kleinen industriellen Pionieranlage» den ent- scheidenden Schritt vom Diorit-Versuchsreaktor zu einem Leistungsreaktor schweizerischen Eigenbaus beschleunigen zu können.40 Den das Projekt vorantrei- benden Firmen – federführend war Sulzer, die seit De- zember 1955 eine eigene Abteilung für Reaktoranlagen unterhielt – eröffnete die Möglichkeit, ein atomar be- feuertes Fernwärmesystem in einer Kavernenzentrale mitten im städtischen Verbrauchergebiet zu errichten, interessante Perspektiven: «Einsparungen an Leitungs- kosten, Wegfall von Rauchgasen, kleiner Raumbedarf,
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